KJS Luckenwalde
Die Sportschule in der Friedrich-Ebert-Schule Luckenwalde 1953 bis 1959
Die Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) der DDR waren Spezialschulen, die in ausgewählten Sportarten besonders talentierte Kinder und Jugendliche förderten, um diese auf internationale Erfolge vorzubereiten. Sie entwickelten sich zur zweiten Stufe des Förderprogramms des DDR-Leistungssports. Die erste Förderstufe bestand in der Vorbereitung auf den Besuch der KJS in Trainingszentren (TZ). Die KJS als zweite Förderstufe endete mit der Übernahme nach der 10. Klasse oder dem Abitur (erst 12, dann 13 Klassen) in einen Sportclub. Diese Sportclubs stellten die dritte Förderstufe dar. Für die KJS Luckenwalde waren das hauptsächlich die Einrichtungen der SG Dynamo Luckenwalde für den Ringkampfsport bzw. des SC Dynamo Berlin für die Schwimmer, Leichtathleten und Turner.
Grundlage für die Entstehung der Sportschulen war ein Beschluss des ZK der SED (Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands) vom 16. März 1951, wonach für sportbegabte Kinder ab 14 Jahren Jugendsportschulen zu errichten seien. „An diesen wird der allgemeine Schulunterricht durchgeführt, jedoch wird der körperlichen Erziehung ein weitaus breiterer Rahmen eingeräumt“, hieß damals der konkrete Auftrag.
Am 1. September 1952 eröffneten die ersten vier Sportschulen der DDR in Berlin, Leipzig, Brandenburg/Havel und Halberstadt 1952. Der Umstand, dass der stellvertretende Ministerpräsident, Herr Walter Ulbricht, großen Wert darauf legte, die Eröffnung der Sportschulen am 1.9.1952 persönlich vorzunehmen, verdeutlicht den Stellenwert dieser Einrichtungen für die politische Führung der DDR.
Mit dem Schuljahr 1953/1954 wurden weitere acht Sportschulen in der DDR gegründet. Eine davon und damit eine der ersten, war die „Ernst-Thälmann-Kindersportschule Luckenwalde“. Eine „Kinder- und Jugendsportschule“ sollte sie aber erst später werden. Bis Ende 1959 wuchs die Anzahl der Sportschulen auf 23 an.
Anfangs waren die KJS als Schulen mit erweitertem Sportunterricht konzipiert. Neben dem Fach Körpererziehung (insgesamt drei bis vier Wochenstunden) wurde auch ein zweistündiges, in einer der an den KJS bestehenden Sektionen, wöchentliches Training durchgeführt. Aufgenommen werden konnte nur,
- wer die erforderlichen sportlichen Leistungen brachte und
- wessen schulische Leistungen das Ablegen des Abiturs erwarten ließen und
- wer die gesundheitlichen Voraussetzungen hatte.
Die Entstehung der Kinder- und Jugendsportschulen stellte für die Förderung sportlicher Talente einen großen Fortschritt dar. Der Anteil von Schülern bzw. Absolventen der KJS, die hervorragende Leistungen im Sport erzielten, stieg stetig an. Nicht zu übersehen sind aber auch manche Fehlentwicklungen und eine zu geringe Wirksamkeit der Mehrzahl der KJS in den 1950er Jahren. Die Auswahl der Schüler erfolgte noch unsystematisch. Andererseits engte die Aufnahme lediglich von solchen Schülern, die das Abitur erreichen konnten, die Auswahlmöglichkeiten stark ein. Die Leitung der Schulen musste verstärkt in die Hände von Direktoren und Lehrern gelegt werden, die Erfahrungen im Sport besaßen. Erst Anfang der 1960er Jahre wurde die Umgestaltung der KJS zu "Spezialschulen des sportlichen Nachwuchses" in Angriff genommen.
1953 Die Vorbereitung der Gründung der „Ernst-Thälmann-Kindersportschule Luckenwalde“
Kurt Heppel, einer der Mitbegründer der Sportschule, berichtete im Jahre 2012 im „Heimspiel - Geschichte des Sports der Stadt Luckenwalde“, dass sich die Stadt bereits 1952 um die Gründung einer Sportschule bewarb. Bereits am 12. März 1946 war der Bezeichnung „Kreis Jüterbog-Luckenwalde“ durch die Provinzialverwaltung Mark Brandenburg in „Landkreis Luckenwalde“ geändert worden.
Im Rahmen der Gebietsreform von 1952 hatte sich Luckenwalde als Verwaltungssitz des neu geformten Kreises Luckenwalde im Bezirk Potsdam behauptet.
Zum Kreis gehörten nun die Städte Luckenwalde und Trebbin sowie 43 Dörfer. So konnte man selbstbewusst bei der Bewerbung für eine Sportschule mit dem Prädikat „Kreisstadt“ auftreten. Aber Luckenwalde war auch eine Stadt mit großer Sporttradition. In verschiedenen Vereinen waren die Luckenwalder seit Jahrzehnten begeisterte Turner, Handballer, Volleyballer, Schwimmer, Fußballer oder Schwerathleten. Außerdem war die Stadt im zurückliegenden Weltkrieg nicht so stark zerstört wie viele Großstädte. Es war ein Glücksfall, dass ein Großteil der sportlichen Infrastruktur noch intakt war.
Als Protagonisten für die Gründung einer Sportschule in der märkischen Provinz gelten die drei Sportenthusiasten Kurt Heppel, Alfred Deterling und Werner Bonso. Sie gehörten ab 1953 zu den ersten Lehrern an der Kindersportschule Ernst Thälmann.
Als Geburtsurkunde der Sportschule Luckenwalde kann die Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die körperliche Erziehung der Schüler an den allgemeinbildenden Schulen vom 31. August 1953 angesehen werden. Im § 1 wird die Gründung der Kinder- und Jugendsportschule Luckenwalde explizit festgelegt. Wir wissen aber, dass unsere Schule vorerst als „Kindersportschule“ bezeichnet wurde.
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Anzahl der Kinder- und Jugendsportschulen in der DDR 1953 bis 1990
1952/53 |
4 |
1953/54 |
9 |
1954/55 |
17 |
1961/62 |
22 |
1989/90 |
25 |
Bereits mit Beginn des Schuljahres 1953/54 konnte in Luckenwalde die Sportschule in der Dimitroffstraße 15 a (heute wieder Theaterstraße 15 a) ihren Betrieb aufnehmen.
Da ursprünglich der Schulgebäudekomplex in der ehemaligen Friedrich-Ebert-Schule für zwei Grundschulen vorgesehen war, wurde dieser Umstand ab 1953 wieder genutzt. Neben der „Grundschule Ernst Thälmann“ wurde eine separate „Sportschule Ernst-Thälmann“ etabliert. So zog im September 1953 eine der ersten Sportschulen der DDR in den linken Flügel des Gebäudes ein.
Für das erste Schuljahr wurden zwei 5. Klassen (5 a und 5 b) mit je etwa 25 Schülern aufgenommen, dazu auch die Klassenstufen 6, 7 und 8. Unklar ist, ob es auch für die anderen Klassenstufen zwei Klassen gab. Belegt ist, dass an der Kindersportschule 1953 und 1954 eine erste Klasse aufgenommen wurde. Dabei handelte es sich vermutlich nicht um Sportschüler, sondern um Grundschüler, die zur Auslastung der Kapazitäten der Sportschule aufgenommen wurden.
Die räumlichen Voraussetzungen für Lehrer und Schüler der Kindersportschule waren günstig. Die Bezeichnung „KJS“ fehlte zu diesem Zeitpunkt noch, denn die Einrichtung wurde vorerst als „Ernst-Thälmann-Kindersportschule Luckenwalde“ aus der Taufe gehoben. Das lag daran, dass die Luckenwalder Sportschule 1953 nur für die Klassenstufen 5 bis 8 vorgesehen war. Wer als Luckenwalder Sportschüler das Abitur anstrebte, musste ab der 9. Klasse zu einer anderen KJS mit Abiturstufe wechseln.
Direktor Bonso warb Kinder und überzeugte Eltern von der Sportschule u.a. mit der Aussicht, dass es täglich kostenlos Milch und Obst für die Kinder in der Schule geben würde. Ein Schüler jener Zeit berichtete, dass Knochenweiche der Kinder ein typisches Nachkriegsproblem darstellte, das auf mangelhafte Ernährung zurückzuführen war. Das betraf auch Kinder der Sportschule, die bei dieser Diagnose eine gewisse Zeit bandagiert wurden und vom Sport ausgeschlossen waren. Außerdem gab es für jeden Schüler einen blauen KJS-Trainingsanzug und Wettkampfkleidung, was sicher ein willkommenes Lockmittel war.
1953 Die Ernst-Thälmann-Kindersportschule Luckenwalde geht an den Start
Es war vollbracht! Am 1. September 1953 konnte die Ernst-Thälmann-Kindersportschule Luckenwalde mit der Ausbildung beginnen. Zwei 5. Klassen mit etwa insgesamt 50 Sportschülern begannen die Ausbildung. Das vielfältige zusätzliche Training in den Nachmittagsstunden kam bei den Kindern gut an. Von einem Weltmeistertitel träumte noch keiner der Kindersportschüler. Viel mehr hatten sie Mühe, bei dem vielfältigen Sportangebot herauszufinden, wofür sie eigentlich am besten geeignet waren. Die Lehrer waren streng, jung und ehrgeizig. So hört man es immer wieder aus den Erinnerungen jener Zeit heraus. Die Kinder waren lebhaft und ungezwungen. Der leistungssportliche Druck späterer Jahre lastete noch nicht auf sie. Wenn es in der Leichtathletik nicht voranging, wechselte man eben zum Turnen oder Schwimmen oder umgedreht. Auch die Rückstellung in den normalen Betrieb einer herkömmlichen Grundschule wurde vermutlich nicht als „Beinbruch“ angesehen. Da viele Kinder zuerst aus Luckenwalde oder der näheren Umgebung kamen, änderte sich nicht viel in einem solchen Fall.
Aus der Kindersportschule wurde die KJS Luckenwalde
Die beinahe totgesagte „Ernst-Thälmann-Kindersportschule Luckenwalde“ entwickelte sich zur „Ernst-Thälmann-Kinder- und Jugendsportschule Luckenwalde“. Oberflächlich betrachtet scheint das nur ein Namenswechsel gewesen zu sein, der sich am 1. September 1957 vollzog. Aus der provinziellen Zubringersportschule Luckenwalde für die „richtigen“ KJS in Berlin oder Brandenburg/Havel wurde die eigenständige KJS Luckenwalde. Damit konnten die Luckenwalder Sportler/innen endlich bis zum Abitur an ihrem Standort bleiben. Allerdings waren daran einige Bedingungen geknüpft. Es mussten Konditionen geschaffen werden, um diese Aufwertung zu rechtfertigen. Die Luckenwalder mit dem neuen Direktor Werner Schwanke an der Spitze mussten also ihre Hausaufgaben machen.
Steigerung der Effizienz der Sportschulen
Die sportpolitischen Anforderungen an die Eliteschulen des Sports in der DDR nahmen also Ende der 1950er Jahre weiter zu. Die Analysen seit ihrer Entstehung 1952 zeigten, dass die Effizienz der Kaderentwicklung für den Hochleistungssport zu wünschen übrig ließ. Allerdings war der Anspruch, sich am internationalen Spitzenniveau zu orientieren, in dieser Zeit noch nicht so ausgeprägt wie in den folgenden Jahrzehnten. 1956 nahmen DDR-Sportler erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit den Athleten aus der BRD und dem autonomen Saarland an den Olympischen Sommerspielen in Melbourne teil. Die beiden deutschen Staaten gewannen 6 Gold- 13 Silber- und 7 Bronzemedaillen.
Bereits im Frühjahr 1957 machte man sich Gedanken, wie ein Standortwechsel der Kindersportschule in die Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) vollzogen werden könnte. Platzmangel, unzureichende Trainingsbedingungen und vor allem der Auftrag, dass die Sportschüler/innen bis zum Abitur an der Sportschule Luckenwalde lernen und trainieren konnten, machten diese Überlegungen notwendig.
Trotz all der Widrigkeiten hatte unsere Sportschule im Jahr 1957 einen sportlichen Achtungserfolg erzielt. Um die Leistungsfähigkeit der DDR-Sportschulen voranzubringen und zu messen, wurde jährlich der Wettbewerb der Sportschulen durchgeführt. Jedes Jahr war eine andere Sportschule beauftragt, als Ausrichter dieses Kräftemessens der Nachwuchsathleten im Schwimmen, Turnen und der Leichtathletik zu organisieren. 1957 existierten bereits 17 Sportschulen in der DDR. Die KJS Luckenwalde belegte 1957 als relative kleine Sportschule in den durchgeführten Wettbewerben der KJS unserer Republik einen 3. Platz. Besonders erfolgreich waren die Leichtathleten.
Der Umzug der KJS in das Gebäude der damaligen Gerhart-Hauptmann-Schule im September 1959
Es war folgerichtig, dass die KJS unter den Luckenwalder Bedingungen der Oberschule des Ortes angeschlossen wurde, weil beide Einrichtungen zum Abitur führten. So konnten vorerst die für die Abiturstufe befähigten Lehrer der Oberschule auch die Schüler der KJS unterrichten. Die damalige Oberschule (später EOS und heute Friedrich-Gymnasium) in der Parkstraße 59 sollte außerdem die erforderlichen Räumlichkeiten und Anlagen für den Unterricht und das Training garantieren.
Die KJS Luckenwalde und ihre Schüler
Heute können wir zurückblickend sagen, dass aus der Sportschule, auch aus dem Standort in der heutigen Friedrich-Ebert-Schule, viele Medaillengewinner bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen in den Sportarten Ringen, Schwimmen, Leichtathletik und Turnen hervorgegangen sind. Luckenwalder KJS-Sportler erzielten Welt- und Europarekorde und erkämpften eine Vielzahl von Deutschen Meistertiteln. Stellvertretend sollen die Sportler/innen Heinz-Joachim Rothenburg, Marianne Mohr geb. Adam, Rosemarie Gabriel geb. Kother, Dieter Brüchert oder Heiko Balz genannt sein, als Absolventen der Sportschule die Weltspitze in ihren Sportarten verkörpert haben.
Sie sollen uns Ansporn sein, auch in Zukunft hohe sportliche Leistungen zu erzielen.